14.04.2015
900.000 Euro. Fast eine Million. So viel Geld kostet jedes Jahr die Energie, die die Stadt Bad Hersfeld benötigt. Für Licht und Wärme in den stadteigenen Gebäuden, und für die Straßenbeleuchtung. In diesem Betrag sind die Bäder noch nicht eingerechnet. Im städtischen Haushalt sind die Energiekosten einer der größten Posten – und damit ein Bereich, in dem sich jede Einsparung unmittelbar bezahlt macht.
Schon bei seinem Amtsantritt vor drei Jahren hatte Bürgermeister Thomas Fehling eine Idee im Gepäck. Bad Hersfeld sollte nicht nur besonders energieeffizient werden und damit Kosten und CO2-Ausstoß einsparen. Über den eigentlichen Einspareffekt hinaus dachte der Bürgermeister noch einen Schritt weiter. Daran nämlich, wie man aus der echten Überwachung von Energieverbrauch eine städtische Dienstleistung machen kann, um die heimische Wirtschaft wirkungsvoll zu fördern. Der Bürgermeister nahm die Gespräche mit den Stadtwerken auf. Zunächst mit Ernst Sasse, jetzt mit Markus Gilbert, hatte er dort in der Geschäftsführung Ansprechpartner, die von dieser Idee begeistert waren und sie nach vorne trieben.
Für ein echtes Energie-Monitoring, das den Kern der Idee darstellt, müssten die Stadtwerke aber nicht nur die Summe der Energieverbräuche pro Monat kennen, sondern auch die detaillierten Verbrauchsverläufe auswerten können. Mit diesen Daten und den daraus abzuleitenden Verhaltensänderungen könnte man nicht nur der Stadt selbst, sondern auch Dritten, die an das System angeschlossen werden, neue Sparmöglichkeiten eröffnen.
Die Frage war also nicht mehr nur: „Wie viel Strom fließt?“ sondern sie musste lauten: „Wann fließt wie viel Strom, und warum?“ Gemeinsam mit den Stadtwerken, dem Klimaschutzbeauftragten Guido Spohr (siehe oben) und weiteren Bereichen der Stadtverwaltung arbeitete der Bürgermeister ein detailliertes Lastenheft aus, mit dem Ziel, einen Anbieter für ein solches System zu finden. Der Grundgedanke dabei war, mit digitalen Zählpunkten den Energieverbrauch stetig zu überwachen und diese Daten zentral zu erfassen.
Lediglich Siemens hatte ein in Grundzügen passendes System verfügbar, allerdings bislang nur, um die Verbrauchsdaten von Produktionsanlagen zu protokollieren. Dieses „Green Building System“ musste stark angepasst werden. Bei dem Elektrokonzern war man aber von Fehlings Idee so begeistert, dass man der Stadt umgehend einen Kooperationsvertrag anbot. „Die Idee, ein Energiemonitoring-System als kommunale Dienstleistung anzubieten, um Unternehmen wirtschaftlicheres Arbeiten zu ermöglichen, war für Siemens richtungsweisend“, sagt Thomas Fehling nicht ohne Stolz.
Denn für die Zukunft sieht der Technologie-Konzern darin große Marktpotenziale: Was in Bad Hersfeld möglich ist, geht auch in Stadtteilen von Großstädten. Und damit letztlich auch in Megacities. Aus dieser Überlegung heraus wurde Bad Hersfeld für Siemens zur „Modellstadt“.
Zum Musterbeispiel wurde nach der Aufschaltung das „wortreich": Bei der Analyse der dortigen Verbrauchskurven stellte man nämlich fest, dass zu einer bestimmten Nachtzeit ein Lüfter deutlich mehr Strom verbrauchte als üblich. Ein Programmfehler in der Frischluftzufuhr war dafür verantwortlich – bei einer monatlichen Gesamtmengenerfassung wäre dieser Fehler niemals aufgefallen. Allein indem man ihn nun entdeckt hatte, konnte man jährlich 5.000 Euro Energiekosten einsparen.
Dazu der Bad Hersfelder Klimaschutzbeauftragte Guido Spohr: „Wir hatten den monatlichen Energiebedarf unserer Gebäude zuvor in Excel-Tabellen notiert. So hatten wir zwar verlässliche Verbrauchswerte, aber kaum eine Möglichkeit, Leckagen festzustellen."
Stefan Kuno vom wortreich am Block-Heiz-
Kraftwerk (BHKW) in der Stockwerksfabrik
"Nach den Erfahrungen, die Siemens im Gebäudebereich gemacht hat, geht man davon aus, dass durch das Monitoring 15 Prozent Energie eingespart werden können. Dies ist jedoch kein kurzfristiger, sondern ein mittelfristiger Prozess!" erläutert Spohr weiter.
Mittlerweile sind in verschiedenen öffentlichen Gebäuden sowie an zahlreichen relevanten Punkten der Straßenbeleuchtung insgesamt rund 100 Verbrauchsmesspunkte aufgeschaltet, die die Verbräuche in Abhängigkeit zur Zeit messen. Das System erweist sich als höchst aufschlussreich. „Die Daten, die wir daraus ableiten, müssen wir natürlich mit der Nutzung der Gebäude abgleichen, um sie richtig deuten zu können“, erklärt Guido Spohr. "Erst dann können wir entscheiden, ob wir an entsprechender Stelle Energieeffizienzmaßnahmen ergreifen. Dies können bspw. Verhaltensänderungen oder der Austausch ineffizienter Geräte sein."
Bürgermeister Thomas Fehling: „Die Stadt wird davon profitieren, weil wir weitere Sparpotenziale erschließen können. Die Erfahrungen, die Siemens hier sammelt, werden uns ebenfalls zugute kommen. Die Stadtwerke können ihren Kunden damit ein wirklich innovatives Angebot machen, um Energiekosten wirkungsvoll zu senken. Mit der Sparkasse und dem Landkreis laufen bereits Verhandlungen und erste Pilotprojekte. Damit wird diese Leittechnik zu einem echten Standortfaktor für Bad Hersfeld!“.
Das Energie-Monitoring leistet somit einen weiteren Beitrag neben der Straßenbeleuchtung, um die Effizienz des Energieeinsatzes zu optieren. Wie sagte Ernst-Ulrich von Weizsäcker im Rahmen der Energie- und Klimatage 2012: "Nicht der reine Einsatz von Erneuerbaren Energien ist intelligent, die Effizienz ist intelligent". Auch durch den Einsatz des EMC hat sich Bad Hersfeld einen guten Namen gemacht, nicht nur bundesweit.