02.06.2015
Sie haben einen echten Husarenritt hinter sich! Als das Jahr 2014 abgeschlossen war, haben Wilfried Herzberg und seine Mannschaft die sprichwörtlichen „drei Kreuze“ gemacht. „In meiner gesamten Laufbahn war es das Jahr, das mit Abstand am meisten Kraft gekostet hat“, sagt der Magistratsoberrat, der das Finanzressort der Stadt Bad Hersfeld leitet. Das will etwas heißen: Immerhin ist der Diplom-Verwaltungswirt, der sich beruflich gerne mit Zahlen beschäftigt, schon seit 1971 im Dienst der Stadt Bad Hersfeld.
Wilfried Herzberg, Leiter der städtischen Finanzabteilung, im Gespräch mit seiner Mitarbeiterin Corina Göbel
Die Umstellung von der althergebrachten „Kameralistik“ auf die „Doppik“ war es, die Wilfried Herzbergs Team oft an ihre Belastungsgrenzen geführt hat. Mit den beiden Begriffen bezeichnet man zwei unterschiedliche Verfahren in der Buchführung. Während die Kameralistik (einfache Buchführung) eine „Einnahmeüberschussrechnung“ mit ihren Zahlungsströmen darstellt und überwiegend bei Kommunen angewendet wurde, ist die Doppik (doppelte Buchführung) das übliche Verfahren wie bei bilanzierungspflichtigen Wirtschaftsunternehmen. Gesetzliche Änderungen haben die Umstellung erforderlich gemacht, mit der kommunale Haushalte und Zahlungsströme transparenter gemacht werden sollen.
Komplettes Umdenken
Der Wechsel von dem einem auf das andere System fordert allerdings ein nahezu komplettes Umdenken bei jeder einzelnen Buchung. Jeder Vorgang muss nämlich einem bestimmten buchhalterischen Konto zugeordnet werden, und mit der Umstellung sind die alten Kontenpläne nicht mehr gültig. In der Doppik gelten neue Konten, auf denen gebucht und gegengebucht werden muss – insgesamt rund 12.000 (!) an der Zahl.
„Wenn man, wie ich, seit über vierzig Jahren in dem alten System gearbeitet hat, ist ein solcher Paradigmenwechsel natürlich besonders heftig“, erklärt der Bad Hersfelder Finanzchef. Und weil eine Stadt nicht einfach ihren Betrieb wegen Systemumstellung einstellen kann, mussten die städtischen Finanzspezialisten das Ganze im laufenden Geschäft bewältigen - mit rund 27.000 gebuchten Ein- und Ausgangsrechnungen im vergangenen Jahr!
Mit der buchungstechnischen Komplettumstellung ist die Herausforderung, die Herzberg und sein Team gemeistert haben, jedoch noch immer nicht vollständig beschrieben. „Wir bilden in unserer Abteilung finanztechnisch ja immer drei Jahre ab, in denen wir arbeiten“ sagt Herzberg. „Das alte Jahr wird abgeschlossen, das laufende Jahr bearbeitet und das nächste Jahr geplant.“
Die besondere Schwierigkeit dieses Jahres: Während die Finanzen für 2015 und 2016 nach dem neuen doppischen Prinzip bearbeitet werden, erfordert das alte Jahr 2014 noch das kameralistische Buchungssystem. „Dazu kommt in Hessen als einzigem Bundesland noch etwas anderes “, sagt Herzberg und lächelt. „Hier ist zusätzlich noch die Finanzrechnung vorgeschrieben!“
Bei solchen Kolonnen von Zahlen und Vorschriften immer einen kühlen Kopf bewahren – das kann man nur, wenn man erstens gerne mit Zahlen umgeht und zweitens ein professionelles Team an seiner Seite weiß. Ein- und Ausgangsrechnungen erledigt Wilfried Herzbergs Abteilung mit 2,5 Stellen. Die Stadtkasse verfügt über sieben Beschäftigte. Zwei Bedienstete verwalten die städtischen Steuereinnahmen und vier arbeiten im Kerngeschäft, der städtischen Kämmerei.
Weitere Veränderungen stehen bevor: Demnächst soll „ZUGFeRD“ greifen. Wörtlich bedeutet das „Zentraler User Guide des Forums elektronische Rechnung Deutschland“. Dabei handelt es sich um eine plattformunabhängige Software, die als Anhang an elektronisch übertragene Rechnungen mitgeschickt wird. Mithilfe dieser Methode werden viele Buchungsvorgänge, die jetzt von Hand erledigt werden müssen, automatisiert. „Wir rechnen mit einer enormen Arbeitserleichterung, wenn ZUGFeRD greift“, sagt Wilfried Herzberg.
Es gibt sie noch, die Bargeld-Welt
Bis das System vollständig etabliert ist, wird es jedoch noch eine Weile dauern – und selbst in Zeiten, in denen die Computer selbstständig buchen, gibt es eben auch noch die andere Welt, die völlig aus der Zeit zu sein scheint.
„Wir haben hier in Bad Hersfeld tatsächlich immer noch zwei Bürger, die ihre Grundsteuern in bar bezahlen“, sagt Wilfried Herzberg und lächelt voller Verständnis für zwei ältere Herrschaften, an denen die Zeit von online-Banking und ec-Cash vollkommen vorbeigelaufen ist. „Das ist für uns zwar ein absoluter Anachronismus, aber die beiden Herrschaften tun das schon seit Jahrzehnten. Sie wären sicher todtraurig, wenn wir ihnen jetzt, auf ihre alten Tage, auf einmal vorschreiben würden, den Betrag zu überweisen.“ Dass ein städtischer Abteilungsleiter, der sich um reibungslose Abläufe und Zahlenkolonnen zu kümmern hat, derart verständnisvoll sein kann, hat einen tieferen Grund: Der dreifache Vater ist auch in der Freizeit ganz für andere da: für seine Familie mit einer Enkeltochter und für seine Freunde.