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Ausgabe 26/2015

Urahn des Computers wurde in Bad Hersfeld nachgebaut

23.06.2015

Steve Jobs, Bill Gates und Tim Cook: Drei Namen wie Donnerhall, und drei der reichsten Menschen der Erde. Ihre märchenhaften Karrieren verdanken sie ihrem Talent und einem Mann, der seiner Zeit zu weit voraus war: Konrad Zuse, Erfinder des Computers. Am 22. Juni 1910 in Berlin geboren, hatte bereits als 27-jähriger Bauingenieur die erste mechanische Rechenmaschine „Z1“ gebaut. Aus „Faulheit“, wie er zu sagen pflegte, weil ihm die immer gleichen Rechenaufgaben mit den endlosen Zahlenkolonnen zu langweilig waren. Zuses Geheimnis: Er machte aus Zahlen mechanische Bauteile und aus mathematischen Operationen Bewegungen. So zeigte ihm die Z1 am Ende einer eingegebenen Aufgabe mithilfe der zahllosen schablonenartigen Bleche das korrekte Ergebnis an.


Konrad-Zuse-Denkmal im Stiftsbezirk

Aus der Z1, die aufgrund mechanischer Probleme nie wirklich zuverlässig arbeitete, entwickelte er mit den neu aufgekommenen elektrischen Relais die Z2 – und schaffte mit der Z3, der ersten programmierbaren Rechenmaschine der Welt, den Durchbruch. Quasi als „Nebenprodukt“ entwickelte Zuse die noch heute gültige Gleitkommarechnung und eine Programmiersprache namens „Plankalkül“. Diese war ihrer Zeit dermaßen weit voraus, dass man erst Jahrzehnte später in einer Doktorarbeit ihren wahren Nutzen und die universelle Anwendbarkeit erkannt hatte.

Nach mehreren Stationen in der Nachkriegszeit verlegte Konrad Zuse seinen Firmensitz von Neukirchen nach Bad Hersfeld. Dort entstand das mittlerweile leer stehende Hochhaus mit den charakteristischen blauen und roten Fenstern, die einem Code der Programmiersprache Plankalkül entlehnt gewesen sein sollen.

In Bad Hersfeld entwickelte die Zuse KG sich weiter und verkaufte von dort aus bis 1967 ganze 251 Großrechneranlagen. Der erste Zeichenplotter der Welt, der „Graphomat“, war ebenfalls in Bad Hersfeld entwickelt und gebaut worden. Zum damaligen Zeitpunkt war Bad Hersfeld dank Konrad Zuse weltweit einer der wichtigsten Zukunftstechnologie-Standorte. Die Entwicklungskosten liefen dem fortschrittlichen Unternehmer jedoch davon – aus eigener Kraft konnte die Zuse KG ihren Fortschritt nicht mehr finanzieren.

Die Banken waren Ende der 1960er-Jahre nicht in der Lage, die weitere Entwicklung des Computergeschäfts zu beurteilen. Zu neu war dieser Technik-Sektor und eine Prognose, wie sich die Computerwelt entwickeln würde, schien nicht möglich zu sein. Auf eine staatliche Forschungsförderung konnte Zuse ebenfalls nicht zurückgreifen; deutlicher kann man aus heutiger Sicht das Versagen der Politik nicht dokumentieren. So musste Konrad Zuse sein Lebenswerk aufgeben. 1967 übernahm Siemens den Standort, den der Weltkonzern Anfang der Neunzigerjahre mit dem Ende der Zonenrandförderung wieder aufgab.


Nach 50 Jahren aus der Erinnerung nachgebaut: Die Z1 steht heute im Berliner
Technik-Museum. Gebaut wurde sie zwischen 1987 und 1989 in Bad Hersfeld. 

Heute lässt sich trefflich darüber spekulieren, was passiert wäre, wenn Konrad Zuse seinerzeit mit den nötigen Finanzmitteln ausgestattet worden wäre. Möglicherweise wäre Bad Hersfeld zum weltweiten Zentrum der Computerindustrie geworden, als das heute das Silicon Valley in den USA gilt. Auf jeden Fall wurde Ende der Sechzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts eine echte Jahrhundertchance für unsere Region vergeben. 

Welches Genie Zuse tatsächlich war, bewies er von 1987 bis 1989 erneut. Allein aus seiner Erinnerung heraus hatte der damals fast 80-Jährige sämtliche Einzelteile der Z1 von 1937 aufgezeichnet, um den ersten mechanischen Rechner der Welt 52 Jahre nach seiner Entwicklung nachzubauen. Das fertige Meisterwerk steht heute im deutschen Technikmuseum in Berlin, und der Autor dieser Zeilen ist stolz darauf, in bescheidenstem Maß an dieser Maschine mitgewirkt zu haben. 

Am 22. Juni wäre Konrad Zuse 105 Jahre alt geworden. Die Stadt Bad Hersfeld gedenkt dem Erfinder des Computers mit einer Bronzefigur im Stiftsbezirk. Ohne ihn, der zeitlebens keinen eigenen PC hatte, hätte es die märchenhaften Karrieren von Steve Jobs, Bill Gates oder Tim Cook niemals gegeben.