13.11.2018
Seit der Zeit von Louis Demme im 19. Jahrhundert ist das Stadtarchiv Bad Hersfeld die Heimat für eine fast 700 Einzelstücke umfassende, städtische Urkundensammlung. Die Urkundensammlung deckt teilweise den ältesten Bestand der städtischen Überlieferung ab, da sie bis in das Jahr 1307 zurückreicht. Wie Dr. Tanja Roth, Leiterin des Louis-Demme-Stadtarchivs, jetzt mitteilt, wird der Urkundenbestand jetzt aber Bad Hersfeld verlassen – nur für eine gewisse Zeit und aus guten Gründen.
Da die meisten Urkunden hauptsächlich aus Pergament bestehen, haben sie die letzten Jahrhunderte relativ gut überstanden. Damit dies auch weiterhin so bleibt, wurde im Sommer dieses Jahres von Dr. Roth ein Projekt initiiert, um die Urkundensammlung in neue und archivtaugliche Urkundentaschen umzupacken.
Der Bestand der Urkundensammlung im Stadtarchiv Bad Hersfeld geht grundlegend auf die erste Ordnung und „Verzeichnung“ der städtischen Dokumente durch den Stadtsekretär und ersten Stadtarchivar Louis Demme (1845-1898) zurück. Zu einem unbekannten Zeitpunkt erfolgten eine Verzeichnung und Verpackung der Urkunden in damals gebräuchliche Urkundentaschen. Die entsprachen zwar früher üblichen Standards, heute aber weiß man, dass deren Papier säurehaltig ist, damit die Urkunden und Siegel an-greift und langfristig schädigt. Außerdem wurde eine nach oben offene Verpackung gewählt, über die weiterhin Staub und Schmutz zu den Urkunden eindringen konnte.
Um die Urkunden wieder fit für die nächsten 700 Jahre zu machen, wurde daher die Buchrestaurierung Leipzig GmbH beauftragt, die Urkunden aus den säurehaltigen Mappen zu entnehmen und sie schonend zu reinigen. Anschließend werden sie in heutige DIN-genormte und säurefreie Archivtaschen und Archivkartons verpackt.
Da dieser Vorgang nicht vor Ort durchgeführt wird, verlassen die Urkunden Bad Hersfeld jetzt also für einige Zeit. Dieser Schritt ist notwendig, um in der nahen Zukunft weitere Erhaltungs- und Verzeichungstätigkeiten an den Urkunden durchführen zu können.
(v.l.n.r.): Dreimal Roth - weder verwandt, noch verschwägert: Christoph und Moritz Roth von der Buchrestaurierung Leipzig GmbH zusammen mit Stadtarchivarin Dr. Tanja Roth bei der Verladung der Bad Hersfelder Urkunden
Denn seit Louis Demme, der die städtischen Urkunden nutzte, um 1891 seine „Nachrichten und Urkunden zur Chronik von Hersfeld“ zu veröffentlichen, fand danach von Forschungsseite kaum eine weitere Bearbeitung des Urkundenbestandes statt. Dies ist dringend zu ändern, denn in den letzten knapp 130 Jahren haben sich viele neue Forschungsfragen aufgetan, die nur an den Originalen geklärt werden können. Daher ist dieser so wichtige und einzigartige Bestand für die weitere Forschung zur Stadtgeschichte zu erhalten.
Besonders freut es daher die Stadtarchivarin Dr. Tanja Roth, dass diese Sichtweise auch auf Landes- und Bundesebene geteilt wird. Die Neuverpackung der Urkundensammlung wird als Projekt im Sonderprogramm für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) gefördert. Das hat der Deutsche Bundestag entschieden. Damit werden 50% der Kosten aus Bundesmitteln finanziert. Mit wei-teren 40% beteiligt sich das Land Hessen.
Durch die Maßnahmen werden die Urkunden und vor allem die noch existierenden Siegel vor weiteren Schäden gesichert. Außerdem kann durch eine Schadenserfassung der Grundstein für weitere notwendige Restaurierungen an der Urkundensammlung gelegt werden.
Weitere Informationen zur Urkundensammlung
Die Stadt Bad Hersfeld erwuchs aus dem Schatten der im Früh - und Hochmittelalter bedeu-tenden Reichsabtei Hersfeld (gegründet zwischen 769 und 773). Der Bestand der Urkunden des Stifts Hersfeld befindet sich heute im Staatsarchiv Marburg. Die Urkunden des Stadtar-chivs Bad Hersfeld ergänzen diesen Bestand von Seiten der städtischen Entwicklung.
Die städtischen Urkunden dokumentieren ab 1307 alle Bereiche des städtischen Lebens. Al-leine für das 14. Jahrhundert belegen etwa 100 Urkunden alle möglichen rechtlichen Belange der Stadt, darunter auch die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen dem Abt und der Stadt, deren Nachklang sich bis hin in kaiserliche Urkunden niedergeschlagen hat. Urkunden sind wichtige Quellen für die Familienforschung, aber auch über die unterschiedlichsten Be-lange der Einwohner, in allen sozialen und wirtschaftlichen Bereichen.